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Ob Ampel oder Jamaika, ist egal: Denn was bringt uns ein Fahrerwechsel, wenn das Auto einen Motorschaden hat, der nicht behoben wird?

Warum die schwierigen Koalitionsverhandlungen eine einmalige Chance für Deutschland sein können.

Ein Crash-Kurs in Krisenbewältigung von Strategie- und Management-Berater Dr. Frederik Hümmeke

Wer in diesen Tagen Politik verfolgt, erlebt ein Ringen und Werben um den nächsten Bundeskanzler. Olaf Scholz ist laut Wahlergebnis der Sieger, doch am Ende könnte doch noch Armin Laschet Kanzler werden. Beide versprechen eine Koalition des Aufbruchs, dabei war noch nie so wenig Aufbruch wie bei dieser Bundestagswahl.

Denn ob es nun Jamaika wird oder eine Ampel, ist egal. Weil Politik ein viel tiefer sitzendes Problem hat: Menschen wählen politische Symbole, und Politiker „triggern“ dieses Bedürfnis nur zu gern. Wirkliche Inhalte? Gelebte Realität? Dafür war im Wahlkampf und ist im politischen Alltag keine Zeit. Effizienz? Wirkliche Veränderung? Echte Führung? Erfolgreich ist in der Politik, wer sich an alle innerparteilichen Regeln hält und nicht, wer mit seiner Vision echte Bürgerbedürfnisse in den Mittelpunkt stellt. Ohne strategisches Mindset und Management regiert es sich gänzlich ungeniert, mit fatalen Folgen. Denn es werden unsinnige Strukturen geschaffen, die wir nie wieder loswerden: in der Verwaltung, mit Verordnungen und Gesetzen.

Aufbruch? Alles anders? Fehlanzeige. Appelle und Träumereien ja, aber keine Perspektiven, die Lust machen. Dabei wäre ein Aufbruch nach der Corona- und Wirtschaftskrise wichtiger denn je. Aufbruchsstimmung gab es in Deutschland zuletzt in der Nachkriegszeit. Das war das Jahrzehnt, als den Menschen zuerst der Wiederaufbau gelang – und dann das Wirtschaftswunder. Und in dem eine kollektive Vision die Menschen einte: die eines (wirtschaftlichen) Aufstiegs für alle. Verbunden mit dem festen Glauben, dass alles möglich ist – wenn nur fleißig und hart genug daran gearbeitet wird.

Aufbruch? Alles anders? Fehlanzeige. Appelle und Träumereien ja, aber keine Perspektiven, die Lust machen.

Noch wissen wir nicht, mit welcher Koalition wir in die Post-Merkel-Ära starten werden. Setzt sich der pragmatische Opportunist Olaf Scholz von der SPD durch oder der moderative Pechvogel Armin Laschet von der Union, dem sein medial überinterpretiertes Lachen während der Flut noch heute im Halse stecken dürfte?

Der Weg aus der Krise

Doch was bringt uns ein Fahrerwechsel, wenn das Auto einen Motorschaden hat? Nichts. Für den Motorwechsel, für den Weg aus der Krise sind strategische Visionen aber auch die Kompetenz, darüber Diskurs zu führen und kluge Kompromisse zu organisieren, elementar: Was wollen wir als Land gemeinsam erreichen? Welche Werte wollen wir leben? Vor allem: Wie und bis wann soll das fertig sein? Mit politischen Verwaltungsmechanismen, wie wir sie uns in diesem Land anerzogen haben, lassen sich solche Fragen gar nicht erst stellen geschweige denn beantworten. Zu gelähmt, zu aufgeblasen und unlenkbar ist das System. Zu unprofessionell das Management der Ministerien und ihrer Aufgaben. Zu schlecht die Methoden der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung. Aber auch: Zu weit weg von der gelebten Realität der Bürgerinnen und Bürger. So stehen wir ohne Mechaniker da – aber mit vielen Kandidaten, die beschreiben, wie toll sie Auto fahren können.

Die Realität zeigt, wie es überhaupt so weit kommen konnte: Denn ein politisches System ohne Effizienzdruck – also die Erfordernis, echte Ergebnisse zu liefern – kann keine gute Politik machen. Stattdessen haben wir es mit dem Überlauf administrativer Prozesse zu tun, die oftmals Dinge regelt, die gar nicht geregelt werden müssen. Und damit genau das Gegenteil verursacht: Die Ausstellung des Personalausweises, das An- und Abmelden des Wohnsitzes – solche Abläufe werden in Deutschland noch immer nicht dezentral und effizient (durch digitale Schnittstellen) bearbeitet. Das Bürokratiemonster mit seinen Unmengen an Apparaten, Beamten und Formularen auf Recyclingpapier lässt auch an anderer Stelle grüßen: Wenn Eltern für tausend Euro einen Dienst beauftragen, der ihr Elterngeldformular ausfüllt, weil sie sich selbst überfordert fühlen, wenn der studierte Ökonom und Betriebswirt das Formular des Finanzamts nicht versteht, das zur Gründung einer Firma nötig ist – dann haben wir es mit einem hohen Level an Abstrusität zu tun.

In der Wirtschaft kann es zu einem solchen exponentiellen Ausufern der Administration gar nicht erst kommen. Da herrscht ein Effizienzdruck, der die Richtung vorgibt. Ein Unternehmen, dessen Verwaltung unkontrolliert wächst, geht pleite – weil der Apparat alle Erträge wegfrisst. Richtungsweisend dabei auch hier wieder die Vision: Wer die Zeichen der Zeit erkennt und sich immer wieder neu aufstellt – wie etwa Thalia mit seiner Marke für digitales Lesen – wird zu einer Erfolgsgeschichte. Galeria Karstadt Kaufhof und viele andere haben aber das Gegenteil erlebt. Learning: Was nicht unmittelbar für das unternehmerische Überleben wichtig ist, und wer sich in einer rasant verändernden Welt nicht selbst ändert, der wird radikal abgeschafft.

Genau an dieser unternehmerischen Logik mangelt es in der Politik. Dabei brauchen wir – gerade, wenn es darum geht, aus Krisen führen zu können – Profis als Politiker, die fernab von Symbolpolitik und Parteiideologie einen klugen Diskurs über die Inhalte führen und die Entscheidungen nicht von ihrer (medialen) Außenwirkung abhängig machen, sondern echte Resultate managen. Also dafür sorgen, dass der Motor repariert wird. Einen Meinungsbildungsprozess über die Fahrtrichtung moderieren. Und uns dann sicher ans Ziel bringen.

Doch mit sowas hat die Politik scheinbar nichts am Hut. Ihre Logik: Gewählt wird, wer medial vorkommt und Symbolpolitik am besten kann. Bis in die Ministerien hinein. In einer Zeit, in der es um massiven Schuldenabbau geht, aber auch um Geschwindigkeit (bei der Digitalisierung) und Wirksamkeit (bei Themen wie Bildung), braucht es keine heiß diskutierten Themen, bei denen am Symptom gestochert, die Ursache aber nicht behoben wird – weder vor, während oder nach einem Wahlkampf.

Der Mietenpreisdeckel ist ein solcher Irrwitz, befeuert durch ideologisches Wunschdenken. Allen ernstzunehmenden Experten ist klar: Er wirkt nicht – und bessere, funktionierende Lösungen sind bekannt: (sozialer) Wohnungsbau, einfache Genehmigungen, schnellere Umnutzungen.

Es braucht auch keine amtlichen Regelungen oder gar Gesetze fürs Verankern einer geschlechtergerechten Sprache. Das funktioniert schon deshalb nicht, weil Sprache aus der Kultur emergiert und nicht umgekehrt. In dem Moment, wo Sprache vorgeschrieben wird, haben wir es mit Abstoßungseffekten zu tun. Druck erzeugt Gegendruck. Und ist auch ideologisch ein heißes Eisen. Wieso nicht lieber die Dinge tun, die wirklich helfen, gar erprobt sind?

Bei der Elektromobilität ist es genauso: Politiker können sich ein Umdenken in den Köpfen der Menschen zwar wünschen, und sie können auch hektisch und aggressiv und autoritär dabei werden. Wenn aber bei der Subventionierung von E-Autos Plug-In-Hybride gefördert werden, deren Ladekabel über die gesamte Nutzungsdauer unbenutzt und originalverpackt bleiben, so verpuffen solche Maßnahmen wirkungslos – oder richten sogar Schaden an. Dann wurde zwar schöne Symbolpolitik gemacht, wirklich passiert ist aber nichts.

Was gute Politik braucht

Eine gute und effiziente Politik braucht keine Ideologien. Sie braucht auch keine Parteiprinzipien. Sie braucht einen pragmatischen Blick aufs Wesentliche. Wollen wir wirklich was für die Gleichberechtigung tun? Ist doch wirklich wichtig! Dann weg mit Sprachdebatten und her mit konkreten Versprechen. Wer eine Familie gründen will, tut sich leichter, wenn Politik garantieren kann: Das wird dir nicht schaden. Und: Das kriegen wir gemeinsam hin. Fängt an mit einem unkomplizierten Elterngeldantrag und 100% Gehaltsausgleich in der Elternzeit – gern auch über zwei Jahre. Dazu ein funktionierendes Betreuungssystem. Plus einen steuerlichen Ausgleich der Aufwände für den Arbeitgeber für die Schwangerschafts- und Elternzeitvertretung. Wird teuer, ja, aber Verwaltungen, die das deutsche Krebsgeschwür von unsinnigen Verordnungen, Gesetzen und Anträgen bearbeiten müssen, sind teurer – und bringen parallel dazu oft kein wirkliches Ergebnis. Fünf Millionen Beamte und Angestellte des Öffentlichen Dienstes: Braucht es das wirklich?

Eine gute und effiziente Politik braucht keine Ideologien. Sie braucht auch keine Parteiprinzipien. Sie braucht einen pragmatischen Blick aufs Wesentliche.

Menschen müssen daran glauben können, dass Dinge erreicht werden können. Dass der soziale Aufstieg möglich ist und ein grundsätzliches Sicherheitsgefühl sie durch den Alltag bringt. Dass sie nicht ins Leere fallen, wenn mal etwas Schlimmes passiert. Fortschritt muss spürbar – und gemeinsam gewollt – sein: Wenn jeder Einzelne von uns wieder mehr daran glaubt, kommen die Veränderungen von ganz allein. Wer aber den Unternehmensgründer mit dutzenden Seiten Bürokratie, mehreren Amtsgängen und einem Quartal Wartezeit bis zur Eintragung des Unternehmens belastet und – Achtung, i-Tüpfelchen – ihm selbst ohne Gewinne einige tausend Euro Steuerlast berechnet, verdirbt den Menschen die Lust an der Unternehmensgründung und bestraft die Arbeitgeber und Innovatoren von morgen, die wir so dringend brauchen. Vielleicht schreckt genau das den Erfinder ab, der als Unternehmer in ein paar Quartalen die Technologie erfunden hätte, die wir so dringend für unseren Umweltschutz brauchen?

Der Staat muss den richtigen Rahmen schaffen, damit seine Bürger das Richtige auch gerne tun. Es fängt erst an, Sinn zu machen, wenn der Bürger das Hybrid-Ladekabel auspackt und einsteckt. Wenn sich junge Familien ohne Sorgen um Finanzen und Karriere den nächsten Kinderwunsch erfüllen. Erst dann passiert etwas im echten Leben, kommen die Menschen ins Handeln. Und nur so wird Politik wirksam. Ganz ohne irgendein Gendersternchen.

Wer sein Land aus der Krise führen will, darf sich nicht die Frage stellen: Wie wirkt das medial? Wie wirkt das auf meine Partei? Und wie wirke ich? Und schon gar nicht: Wo müssen wir noch ein Ministerium bauen? Wer sein Land aus der Krise führen will, muss sich fragen: Was ist das Problem? Was ist unsere gemeinsame Vision? Und wie erreichen wir effizient dieses Ziel? Gemeinsam. Über Parteigrenzen und Wahlergebnisse hinweg.

Eine Anregung für die Koalitionsverhandlungen, denn die unklare politische Lage birgt eine einmalige Chance: Wie wäre es mit Gesprächen, in denen Visionen entstehen und nicht, welche Partei wieviel durchsetzen kann und wer Minister wird? So müssten uns Politiker, die sich für die Umsetzung dieser Ziele bewerben, erklären, wie und warum sie das effizient zu können glauben. Wie wäre es also mit einer echten Reform des Behördenapparates?

Visionen statt Parteien und dazu Profis, die Ergebnisse schaffen: Das wäre tatsächlich eine gute Regierung für Deutschland.

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